Letzte Hoffnung Projekt „Wirtschaft weiblich“?

Jüngstes Euro-Speedway-Gespräch der FH Lausitz widmete sich den beruflichen Chancen junger Frauen in der Region

KLETTWITZ. Für zwei qualifizierte, motivierte, aber arbeitslose Frauen aus Lauchhammer könnte die bewegende Schilderung ihres beruflichen Werdeganges beim jüngsten Euro-Speedway-Gespräch der Fachhochschule Lausitz zum Glücksfall werden. Dr. Norbert Pietsch, Vorsitzender des Vorstandes der Kjellberg-Stiftung, riet ihnen, sich bei dem gleichnamigen Hochtechnologie-Unternehmen in Finsterwalde zu bewerben. Er sehe durchaus gute Möglichkeiten, sagte er in der Runde, die sich mit dem Thema „Wirtschaftswachstum in der Lausitz = wachsende berufliche Chancen für junge Frauen?“ beschäftigte. Der wachsende Produzent von Plasmaschneidemaschinen, laut Dr. Pietsch „ein familienfreundlicher Betrieb“, wolle seinen Umsatz bis 2010 verdoppeln und brauche kontinuierlich weitere Fachkräfte. Auch Frauen.

Nach unzähligen vergeblichen Jobbemühungen nutzen die beiden Lauchhammeranerinnen seit geraumer Zeit die Dienste des Projektes „Wirtschaft weiblich“. Es wurde im Mai 2005 aufgelegt und endet im April 2007. Ziel ist es, qualifizierte Frauen bis 35 Jahre (von der Facharbeiterin bis zur Hochschulabsolventin) auf dem Weg in eine neue berufliche Zukunft intensiv zu begleiten. Bislang sind nach den Worten von Projektleiterin Kerstin Gogolek 164 Unternehmen aufgesucht worden, um ihnen das Anliegen von „Wirtschaft weiblich“ zu erläutern. „Davon haben 45 Betriebe die Zusammenarbeit mit uns fixiert.“ Inzwischen hätten sieben Unternehmen Frauen aus dem Personalpool des von der Landesagentur für Arbeit (Lasa) Brandenburg begleiteten Projektes eingestellt, um ihren Fachkräftebedarf zu decken.

Dazu gehört auch die Archicart Software AG aus Lauchhammer. Die heute rund 50 Mitarbeiter zählende Firma fing vor etwa 15 Jahren mit drei Männern an. „Heute beträgt der Frauenanteil 40 Prozent“, so Vorstand Andreas Kanis. Durch die Projekte „Frauen in IT-Berufen“ und „Wirtschaft weiblich“ sei er überzeugt worden, noch Kräfte gebrauchen zu können. Bereut hat es der Chef nicht: „Die Frauen sind absolut gut. Fachlich stehlen sie vielen Männern inzwischen die Schau.“

Das möchte auch die 31-jährige Reiseverkehrskauffrau (verheiratet, Kind) wieder erreichen: „Ich hangele mich von einem schlecht bezahlten Job zum nächsten. Finanziell bringt das nichts. Ich möchte nur raus aus dem Alltag.“ Weil ihr Mann Arbeit hat, bekommt sie keinerlei Unterstützung. Von der Arbeitsagentur fühlt sie sich im Stich gelassen. „Ich habe dort um Arbeit und Umschulung gebettelt. Nichts!“ Wer kein Arbeitslosengeld mehr bekomme, sei eine abgeschriebene Akte. „Ich würde sogar etwas Neues anfangen“, sagt sie.

Ihrer Leidensgefährtin geht es nicht viel anders. Sie hat in verschiedenen Berufen gearbeitet, Abi und Studium der Betriebswirtschaft nachgeholt – ohne Erfolg! „Die leitenden Positionen werden immer mit Männern besetzt“, so ihre Erfahrung aus Bewerbungsgesprächen. „Alle Betriebe wollen Personal mit Erfahrungen, aber keiner gibt mir die Gelegenheit, diese zu sammeln. Ich fühle mich als Teil der verlorenen Generation“. Ein Kind komme für sie in wirtschaftlich so unsicheren Zeiten nicht in Frage. Der letzte Strohhalm ist für die beiden Frauen das Projekt „Wirtschaft weiblich“.

In der Tat suchen die Frauen in einer arbeitsmarkt-ungünstigen Zeit einen Job. Doch das soll sich ändern, sagt die Brandenburger Fachkräftestudie. Bis 2010 werde es einen Personalbedarf von 100 000 Beschäftigten geben. Jeder Vierte muss bis 2015 ersetzt werden. Eine starke Nachfrage wird im verarbeitenden Gewerbe (wie Metall, Elektro, Chemie) prognostiziert, fast ebenso im Pflegebereich. In typischen Frauenberufen (Handel, Banken, Bildung, Verwaltung) sehe es eher düster aus. Junge Frauen, so der Rat, sollten bei der Berufs- und Studienwahl das traditionelle Muster verlassen und sich verstärkt in so genannten Männerberufen orientieren.

Aus Sicht von Carsten Baumeister, Direktor des Kunststoff-Kompetenzzentrums in Schwarzheide, sei Aufklärung erforderlich: 80 Prozent der Schüler wählen aus bis zu acht Berufen aus. Und Mädchen kennen maximal zwei regionale Betriebe aus der Chemie- und Kunststoffbranche. Auch aus Unkenntnis der Angebote sehen deshalb nur zehn Prozent der jungen Leute hier ihre Zukunftschancen. Die Folge: Abwanderung. Sind die jungen Frauen einmal weg, kommen sie – im Gegensatz zu Männern – zumeist nicht wieder zurück. Dieser Trend, so ein Fazit des jüngsten Euro-Speedway-Gesprächs, müsse aufgehalten werden. Ansonsten hätten bald auch die verbliebenen Unternehmen eine Sorge mehr. „Schon jetzt haben 80 Prozent der Firmen das Problem, gut ausgebildete Fachkräfte zu finden“, mahnt Marco Bünger vom Netzwerk Metall/ Elektro.

Manfred Feller

webdesign @ fiwa media